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"Es gibt nur eine gemeinsame Zukunft"

Kawther Salam über ihre Arbeit als Journalistin in Hebron und als Flüchtling in Wien

Kawther Salam
ist seit 1982 als Journalistin tätig, im Juli 2002 ist sie nach Österreich geflüchtet. Sie schreibt unter anderen für die Al Ittihad Zeitung in Haifa, die Al Majed T.U. in Hebron, die irische Sunday Tribune, ist Mitglied der "International Federation of Journalists" in Brüssel und beschäftigt sich seit einigen Jahren auch intensiv mit dem Medium Dokumentarfilm. Kawthers Tagebuch wird gerade an einem amerikanischen Theater umgesetzt. Und sie ist eine von drei nominierten Kandidatinnen für den "Free Expression, Democracy and Peace Price" der UNESCO, gemeinsam mit einer tunesischen und einer israelischen Journalistin.

Unter ihrer Koordination und Aufnahmeleitung entstanden mehrere geförderte Filme, die mit internationalen Filmpreisen ausgezeichnet wurden. So etwa ihre letzte Produktion "Detained", ein Film über den Alltag von drei palästinensischen Witwen in Hebron noch vor der letzten Eskalationswelle und dem Beginn der zweiten Intifada aus dem Jahr 2000, der in Deutschland mit der "Goldenen Taube" ausgezeichnet wurde, im israelischen Fernsender "Kanal 8" schon unglaubliche zwanzig Mal gezeigt wurde, u.a. auf dem "Cinematic Festival Telaviv" lief und demnächst auch auf im französischen Fernsehen zu sehen sein wird.

Der Titel, so Kawther, steht für das doppelte Gefängnis, in dem diese Frauen leben: Ein Leben zwischen israelischen und palästinensischen Soldaten und "den traditionellen islamischen Werten, die den Alltag der Frauen kontrollieren und einschränken. Die Situation ist unvorstellbar - alle leben in einem Haus: Der Eingangsbereich steht unter israelischer Kontrolle, der Hinterhof unter palästinensischer. Es ist eine private Geschichte über das Leben dieser drei Frauen mit ihren Kindern, die aber auch die gesellschaftliche und politische Situation reflektiert."

Denn, laut Kawther ist Hebron eine sehr konservative islamische Stadt. Frauen müssen sich von Kindesalter an mit dem Schleier bedecken. "Unter der Intifada wurde das noch schlimmer: Ab dem Alter von fünf Jahren sind sie durch eine Art Zelt verborgen. Es gab einen Backlash von 50 Jahren und die Gewalt in den Familien hat zugenommen: Alle reden über <killing> und <shooting>, aber niemand über die Gewalt, die an Frauen und Kindern unter der Intifada verübt wird, niemand über die Probleme der medizinischen Versorgung, die Strategien des täglichen Lebens. Durch die Ausgangssperre und Geldmangel sind die Frauen noch mehr von ihren Männern abhängig. Die Männer müssen zu Hause bleiben und schlagen ihre Frauen. Es gibt unter der Intifada weniger Eheschliessungen und mehr Scheidungen."

Auch ausserhalb des Hauses sind Frauen gefährdet. "Sex is political" lautete der Titel eines Artikels von Kawther. Dieser Artikel wurde von vielen Zeitungen aufgrund eines Fotos übernommen, das einen Skandal auslöste: Es zeigt einen israelischen Soldaten, der seine Maschinenpistole als Penis zwischen seinen Beinen hielt und schoß. Kawther versuchte in den letzten beiden Jahrzehnten, Verfehlungen des Militärs aufzudecken und erreichte in einigen Fällen auch die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses von Seiten der israelischen Regierung. So der Fall eines israelischen Offiziers, der einen dreissigjährigen Palästinenser vergewaltigt haben soll und der in verschiedenen Zeitungen - unter anderem auch von internationalen Medien - Wellen schlug, sodass Ende Juni eine offizielle Untersuchung eingeleitet wurde. Eine andere Geschichte, über die Kawther berichtete, war die von zwei jungen Mädchen, die sich auf offener Strasse bei einer Militärkontrolle vor den Soldaten nackt ausziehen mussten. "Amnesty International in London verfolgt diese Geschichte. Auch in spanischen Medien erschien ein Artikel darüber".

Seit Anbeginn ihrer Arbeit geht es für Kawther um das Thema der Menschenrechte. Ihr Ziel ist, eine "human culture" israelischen wie palästinensischen BürgerInnen zu übermitteln. "Es gibt eine menschliche Kultur und es gibt Gerechtigkeit. Wenn die Menschen Gerechtigkeit schaffen, werden sie auch Frieden schaffen. Beide Seiten sind Opfer von extremen fanatischen Haltungen." Kawther glaubt an eine gemeinsame israelische und palästinensische Zukunft, eine Friedenszukunft. Auf ihrer Tasche prangt ein Button, der beide Flaggen vereint. "Von beiden Seiten bekomme ich Kritik wegen diesem Button, aber ich glaube daran, die einzige Zukunft ist eine gemeinsame Zukunft."

Kawther hat eigentlich mehr israelische als palästinensische FreundInnen, die einander auch immer wieder in gefährlichen Situationen beigestanden sind. "1987 habe ich meine Journalistenfreunde beschützt, als sie zur <westbank> kamen, um ihren Job zu tun. Israelische JournalistInnen dürfen nicht in politisch brenzlige Gebiete, ich habe sie dorthin mitgenommen, damit sie ihre Geschichten schreiben konnten." Verboten ist ihnen der Eintritt von der Regierung, zu ihrem Schutz, wie es heisst.

"Am ersten April 2001 habe ich ein jüdisches Siedlerkind, das sich alleine an einem sehr gefährlichen Ort in Hebron aufhielt, auf meinen Armen rausgetragen und in Sicherheit gebracht. Ich bin gegen die Besatzung, aber da habe ich einfach meine menschliche Pflicht getan." Nachdem sie das Kind in ihr Haus brachte, rief sie einen ranghohen Commandor der israelischen Armee an. "Als der meinen Namen hörte, hat er gleich wieder aufgelegt. Dann rief ich noch einmal an und sagte ihm, sie sollten kommen und das Kind abholen. Als ich aufgelegt hatte, riefen mich alle Headquarters der Umgebung fast gleichzeitig an."

Trotzdem ist Kawther als "serious journalist" im Sinne von "gefährlich" von Seiten dieses hohen Militärs und der "Civil Administration" eingestuft worden. Einige Zeit zuvor hatte sie einen Korruptionsfall aufgerollt - zwei Offiziere stehen deshalb vor Gericht. Die Situation in ihrem Haus in Hebron wurde immer unerträglicher: Sexuelle Belästigung und Morddrohungen von Seiten der israelischen Soldaten, Molotov-Cocktail Drohungen von Seiten islamischer Fundamentalisten, die sie zwingen wollten, ein Kopftuch zu tragen und Steine nach ihr warfen. Vor ihrer Haustür legten die Soldaten einen Stacheldraht aus, Kawther sollte weder hinaus, noch hineingehen können. Akribisch filmte sie auch die Patronenhülsen, Steine und Messer, die in ihre Wohnung gelangten. "Ich wusste, wenn ich weggehe, muss ich das alles auch beweisen können".

Am 26. September hat sie in Wien politisches Asyl beantragt. "Ich hörte viel über die Asylbehörde, las viele kritische Berichte darüber und war deshalb beunruhigt. Aber als ich befragt wurde, war die Person sehr höflich und behandelte mich auf eine ganz spezielle Weise. Ich hatte das Gefühl, mit einem Freund zu sprechen. Er gab mir auch genug Zeit, alles zu erklären und einen Übersetzer an die Seite. Politisches Asyl beantrage ich aus drei Gründen: Weil ich sexueller Belästigung ausgesetzt war, aus religiösen Gründen, weil ich für Frauenrechte kämpfe und weil ich eine Journalistin bin und für Menschenrechte kämpfe. Ich bin überzeugt, es wird alles gut gehen. Mir geht es auch schon viel besser, ich kann wieder schlafen, weil ich keine Angst haben muss, dass mich jemand in der Nacht überfällt, weil mich niemand auf der Strasse als Hure beschimpft."

Zur Zeit arbeitet Kawther an einem Buch über ihre Erfahrungen als Journalistin "unter der Besatzung einerseits und inmitten einer traditionellen Männergesellschaft" andererseits. Das möchte sie gerne, wenn sie hier aufgenommen wird und Asyl bekommt, der Österreichischen Regierung widmen.

Text und Fotos: Petra Hübl



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